Historisches

3.August 2024

Zum Glück bin ich ein neugieriger Mensch!

Ich will wissen, wie die Menschen vor unserer Zeit gelebt haben. Mich interessieren die Gesellschaftsformen der letzten Jahrhunderte und ihre Entwicklung bis in die heutige Zeit. Wie haben z.B. Frauen gelebt und überlebt? Wie haben sie es geschafft, aus ihren, sie einengenden, Verhältnissen auszubrechen? Welche Hindernisse mussten sie überwinden? Haben Sie es überhaupt geschafft? Diese Bücher zu lesen bedeutet immer auch, etwas über unsere Geschichte zu lernen.

Als die Autorin Silke Elzner mich bat, ihr Buch „Das Vermächtnis der Agnes Bernauer“ als Hörbuch zu produzieren, war ich gleich Feuer und Flamme. In diesem historischen Roman schreibt sie über die junge Agnes, die zu Beginn des 15.Jahrhunderts als einfache Frau in dem adligen Herzogssohn Albrecht ihre große Liebe findet. Was es bedeutet, zu dieser Zeit über ihren Stand hinaus zu treten, beschreibt Silke Elzner sehr gut recherchiert und damit ganz nah an der Historie, lebhaft und eindrucksvoll anhand der Geschichte dieser jungen Frau. Ich versank regelrecht beim Einsprechen der einzelnen Kapitel in den Szenen, den bildhaft dargestellten Figuren und dem Verlauf der Geschichte. Bei einer Hörbuchproduktion bin ich schnell mit Haut und Haar in der Geschichte, vergesse die Zeit und erlebe die Emotionen, die im Buch beschrieben werden, nochmal intensiver. So erging es mir auch mit Agnes. Ich freute mich mit ihr und litt mit ihr mit. Viele Fragen gingen  mir durch den Kopf und ich stellte sie Frau Elzner.

Das Interview mit der Autorin

Liebe Frau Elzner, welche Vorbereitungen treffen Sie, wenn Sie einen historischen Roman schreiben wollen? Wie finden Sie Ihre Ideen?

Silke Elzner:
„Der Vermächtnis der Agnes Bernauer“ war der erste Stoff überhaupt, mit dem ich mich als Autorin beschäftigt habe. Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten, die besonders im Süden Deutschlands (also den Schauplätzen Straubing, Augsburg, München, Vohburg, usw) bestens bekannt ist. Ich stamme allerdings aus dem Norden und habe lange Zeit im Ausland gelebt, deshalb stieß ich erst auf die Geschichte, als ich bei einer Bahnreise eine populärwissenschaftliche Zeitschrift aufschlug. Der Artikel beschrieb Agnes’ Schicksal dort so anschaulich, dass ich sofort gefangen war. Das war überhaupt der Auslöser für mich, mit dem Schreiben von historischen Romanen zu beginnen. Dabei versuche ich immer, so gründlich wie möglich vorzugehen. Wenn der initiale Funke einmal da ist, besorge ich mir die entsprechende Fachliteratur aus Bibliotheken oder dem modernen Antiquariat. Ich recherchiere zudem die Lebensumstände der Zeit, die großen politischen und gesellschaftlichen Ereignisse, und so weiter. Natürlich schaue ich auch im Internet nach, besuche die Schauplätze und Museen, studiere Karten, Stammbäume und, wenn vorhanden, Gemälde. Am Ende fließt nicht alles in die Geschichte ein, was ich so herausfinde, aber es ist für mich wichtig, ein möglichst holistisches Bild von den Umständen zu erhalten. Im nächsten Schritt spinne ich dann aus meinen Erkenntnissen eine hoffentlich packende Geschichte. Dabei werden wahre Begebenheiten mit fiktiven Figuren und Ereignissen in Einklang gebracht, so dass ein hübscher Spannungsbogen entsteht. Erst wenn dieses Grundgerüst steht und ich das Gefühl habe, inhaltlich fehlen nur noch unwichtige Details, die ich beim Schreiben recherchieren kann, lege ich los.

Was reizte Sie besonders an der Geschichte der Agnes Bernauer?

Silke Elzner:
Ich finde, dass Agnes eine ganz faszinierende Gestalt der deutschen Geschichte ist. Es passierte in der starren mittelalterlichen Ständegesellschaft nur ganz, ganz selten, dass ein Niemand sich in die höchsten Kreise aufschwingen konnte. Da gehörte enorm viel Mut dazu. Wenn man nur zum Beispiel darüber nachdenkt, dass Agnes als junge Frau von Augsburg nach München an den Hof zog – ihr gesamtes soziales Netzwerk hat sie damit aufgeben müssen. Ihr hätte sonst was zustoßen können, denn als Fremde in der Ferne war man vielen mächtigen Kräften völlig schutzlos ausgeliefert. Da gab es keine Polizei, kein Sozialamt, keine Frauenhäuser, nichts. Sie konnte nicht zu Hause anrufen und sich vom Papa abholen lassen. Die Reise allein von Augsburg nach München nahm mehrere Tage in Anspruch, und es gab damals keine öffentlichen Verkehrsmittel oder kein Deutschlandticket. Ja, also alles sehr mutig. Gleichzeitig habe ich mich aber auch gefragt, inwiefern es nicht doch vielleicht auch kalkuliert war. Vielleicht hat sie darauf spekuliert, dass Albrecht sie schon nicht verlassen würde, und sie hat sich mit Reichtum und Macht ködern lassen. Das Wort Mätresse gab es damals noch nicht, aber genau das hat es auch damals schon reichlich gegeben. Am Ende berührt aber einen dann vor allem ihr Schicksal. Agnes hat hoch gepokert und sich heiraten lassen. Das machte sie zum Spielball der hohen Politik, was sie letztlich mit dem Leben bezahlen musste. Das ist tragisch und macht einen wütend. 

Möchten Sie Ihren Lesern und nun auch Hörern außer einem besonderen Lese- und Hörvergnügen noch weiteres Wissenswertes mitgeben?

Silke Elzner:
Ich fand in der Schule das Fach „Geschichte“ so grässlich, dass ich kaum warten konnte, es endlich abwählen zu können. Dabei ist das eigentlich wirklich schade. Denn Geschichte ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Kultur und unseres Wesens. Warum sind wir wir und nicht die anderen? Was hat dazu geführt, dass wir heute so handeln, denken, reagieren und nicht anders? Ich hätte mir mehr gewünscht, dass in der Schule auf die Personen hinter den großen Ereignissen geschaut wird. Denn das macht Weltgeschehen menschlich. Das ist es, was ich gern mit meinen Geschichten erreichen möchte. Ich möchte gern die LeserInnen in vergangene Zeiten entführen, indem die Tragik und die Schönheit anhand möglichst echter Figuren verdeutlicht wird. Manchmal schaut man ja alte Fotografien an oder Gemälde und vergisst, dass diese Personen alle mal gelebt haben. Sie haben gelitten und geliebt, waren bestimmt auch mal böse oder frech, hatten Träume, Hoffnungen und Pläne. Das hoffe ich, kann ich ein wenig mit meinen Romanen vermitteln.

Vielen Dank Frau Elzner für den Einblick in Ihre Arbeit, ihre Ideen und was Sie zum Schreiben dieser besonderen Geschichte angetrieben hat.

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