30.Januar 2025
In meiner Heimatstadt Celle lernte ich im letzten Herbst Dorothea Stockmar und Karin Brodde kennen.
Karin bekommt vor einigen Jahren von einem ihrer drei Söhne einen gebrauchten Laptop geschenkt und sie beginnt daraufhin mit viel Humor und Selbstironie zu schreiben.
In ihrem Buch „Kindheitserinnerungen einer Bestattertochter“ erzählt sie aus der Perspektive der 11jährigen und im Laufe der Geschichte der jugendlichen Katja von dem Leben eines Kindes, das zwischen Särgen groß wird, zwischen diesen zuweilen auch Verstecken spielt und eines Tages aus der familiären Geborgenheit gerissen wird, als ihr geliebter Vater und ihre Großmutter innerhalb weniger Stunden sterben.
Für Karin wird das Schreiben und Sprechen über ihre Kindheitserinnerungen so wichtig, dass sie Lesungen zu diesem Thema hält, welche sehr guten Anklang finden.
Bei einer dieser Lesungen ist auch Dorothea zu Gast.
Dorothea war bis zum plötzlichen Tod ihres fast erwachsenen Sohnes 2008 bereits 15 Jahre als Sterbe- und Trauerbegleiterin in der Hospizbewegung tätig. Mit dem Verlust ihres Sohnes musste auch sie einen Weg finden, mit ihrer eigenen Trauer umzugehen. Dies tut sie bis heute malend, gehend und schreibend. In dem Buch „Begegnung zwischen den Welten – was uns über den Tod hinaus verbindet“ erzählt sie in besonderer Weise von diesem Prozess, den sie durchlebt, schreibt davon, was sie nicht verzweifeln lässt, und zeigt damit auch anderen Menschen, die trauern, einen Weg auf, den es sich trotz aller Schwere zu gehen lohnt.
Karin, die Dorotheas Buch „Begegnung zwischen den Welten“ gelesen hat, ergreift die Initiative und so lernen die beiden sich kennen, finden schnell Gemeinsamkeiten auf ihrem Weg der Bewältigung der eigenen traumatischen Erlebnisse und Verluste und erarbeiten eine gemeinsame Lesung.
Sie laden uns als ZuhörerInnen ein, zu versuchen uns hineinzufühlen in das Erleben der Trauer, laden uns ein, uns mit dem Tabuthema Tod auseinanderzusetzen.
Dorothea und Karin geben uns mit dieser wichtigen gemeinsamen Lesung, wie ich finde, auch ein Stück Hilfestellung, wie wir auf Trauernde zugehen können, und dass wir nicht in der eigenen Ohnmacht und Hilflosigkeit stecken zu bleiben brauchen.
Ich bin sehr dankbar dafür, die Möglichkeit bekommen zu haben, diese Lesung als Hörbuch zu produzieren.
Die beiden Frauen bleiben nicht stehen, sondern beschreiten einen kreativen Weg, um an ihrer Trauer nicht zu verzweifeln.
Und damit sind sie für mich starke Frauen!
Das Interview mit den Autorinnen
Liebe Karin, liebe Dorothea,
faszinierend finde ich, dass Ihr so unterschiedliche Persönlichkeiten seid und dabei eine so perfekt ineinandergreifende Lesung entwickelt habt.
Wie habt ihr das geschafft?
Aus unserer Sicht ist uns die ineinandergreifende Lesung, wie du sie beschriebst, dadurch gelungen, dass wir zunächst einfach nur einander zugehört haben. Ohne Kommentar, ohne Wertung, so wie ich, Dorothea, es in einem japanischen Hospiz gelernt habe und praktizieren durfte. Indem jede von uns so sein durfte wie sie sich gerade empfindet, unverbogen und unverstellt, geschah es, dass sich Momente ergaben, in denen fast spielerisch ein Wort das andere ergab. Mit einer Leichtigkeit, die uns das Gefühl gab, am richtigen Ort zur rechten Zeit zu sein. Und das trotz unterschiedlicher Trauererfahrungen.
Welcher Intention entspringt eure gemeinsame Lesung ?
Für uns wurzelt der Grund unserer gemeinsamen Lesung in dem Gefühl von Verbundenheit. Was kann einem Trauernden Besseres widerfahren, als sich in seinem Gefühl von Zerrissenheit gesehen, wahrgenommen und angenommen zu fühlen. Denn Trauernde müssen hören, was sie sagen, um zu verstehen was sie fühlen. Diese Erfahrung teilen wir auch gerne nach unserer Lesung mit den Zuhörenden, so dass der gemeinsame Austausch manchmal genau so viel Zeit einnimmt wie unsere Lesungen.
Was wünscht Ihr euch für die Lesung als Hörbuch?
Es ist unser Wunsch und Bestreben durch das Hörbuch Menschen zu erreichen, die sich bisher nicht aus ihrem Schneckenhaus der Trauer gewagt haben. Wenn Trauernde sich vor unseren Augen und Ohren für ein Gespräch öffnen, dann haben wir unser Ziel erreicht. Wir denken besonders an Menschen, die – wie wir so oft hörten – Schwierigkeiten beim Lesen eines Buches haben, da die Konzentrationsfähigkeit in der Trauer häufig eingeschränkt ist. Für diese, wie auch bettlägerige Menschen, ist es leichter einer Stimme eines Hörbuches zu folgen als sich dem Gedankenkarussell im eigenen Kopf zu stellen.
Wir freuen uns ganz besonders, Christiane Frankenstein für diese Aufgabe als Sprecherin gefunden zu haben. Sie ist zu einer unserer Lesungen gekommen, hat uns ihr Ohr und am Ende auch ihre Stimme geliehen. Eine Stimme die, mit ihrer Offenheit und Warmherzigkeit weit mehr Menschen erreichen kann, als wir es mit unseren Lesungen vermögen. Was für eine Unterstützung, was für ein Gewinn.
Christiane, wir danken Dir!
Dorothea und Karin